Viele neue Gesichter im Coworking Space: Sieben neue Pioniere sind hergezogen, aber auch Externe tauschen sich hier aus.
Es ist ein großer Zufall, dass sie sich hier in Wittenberge, im Coworking Space in der Ölmühle, getroffen haben. Michaela Maria Müller und Sibylle Sperling verbindet viel: Sie sind beide Autorinnen, kennen Wittenberge und gehören zu den neuen Gesichtern im Space.
Sieben neue Pioniere
Nach dem ersten erfolgreichen halben Jahr geht das Projekt „Summer of Pioneers“, das Großstädter zum Arbeiten in die Elbestadt lockt, in die Verlängerung. Zehn der ersten Pioniere sind geblieben, sieben neue Pioniere, Journalisten, Berater, Webdesigner, testen seit Mitte Januar das Landleben. Zu ihnen zählt die Potsdamerin Michaela Müller.
Im Spätherbst hatte sie sich um die Projektteilnahme beworben. Zuvor war sie bereits im Coworking Space zu Gast – bei einer Veranstaltung zur Treuhand. Auf der Rückfahrt zum Bahnhof gab ein Bekannter mit seinem alten weißen Mercedes noch eine kleine Stadttour entlang der Elbe und des Gründerviertels. Hier entlang joggte Michaela Müller bereits zwei Wochen später. „Ich dachte mir, das Hotel ist total schön“, erzählt die 45-Jährige und buchte prompt mit ihrem Mann ein Zimmer.
Seit Mitte Januar wohnt die Autorin von „Auf See“ in Wittenberge und wagt das Abenteuer Kleinstadt. Ihr Anreiz: „Die Prignitzer sind mir freundlich in Erinnerung geblieben.“ Zuvor schrieb die Potsdamerin in einem Coworking Space in Berlin. In Wittenberge plant sie nun, ihren zweiten Roman zu Ende zu schreiben – dieser spielt in einer ähnlich großen Stadt wie Wittenberge. Das Projektende im Juli soll auch ihre Abgabefrist sein. Was sie hier sucht, ist eine „Encouragement-Gemeinde“, die sich gegenseitig bestärkt.
Da passte es, dass sie an ihrem ersten Tag im Coworking Space auf Sibylle Sperling traf. Die 43-Jährige ist auch neu, aber kein Pionier. Schon vor zehn Jahren hatte sie Berlin verlassen und war mit ihrer Familie in die Altmark gezogen. Ihr Mann bekam einen Posten in der Stendaler Kinderklinik. „Das Leben hat uns hierher geführt und wir sind hängen geblieben“, sagt Sperling.
Den Coworking Space entdeckte sie, als sie hier im November aus ihrem Buch „In the Middle of Nüscht“, einem Reiseführer über die östliche Altmark, las. Zum Jahresbeginn fasste sie dann den Entschluss, von hier aus an ihrem zweiten Buch zur westlichen Altmark zu schreiben. Fünf Jahre hatte sie von Zuhause aus gearbeitet – zwischen Haushalt und Kindern. Feierabend gab es dort nicht.
Zum Arbeiten und Austauschen in Wittenberge
„Jetzt ist die Trennung von Beruf und Familie viel klarer“, so die 43-Jährige. Drei Tage in der Woche fährt sie mit der S-Bahn nach Wittenberge. „Ich pendle hier her, um mit den kreativen Menschen in Kontakt zu kommen“, sagt sie und findet: „Es ist ein bisschen, wie nach Berlin zurück kommen.“
Die beiden Frauen verbindet aber noch mehr als die Großstadtliebe und das Schreiben. Beide haben eine ganz besondere Verbindung zur Elbstadt. Im Sommer 1999 stieg Michaela Müller in Wittenberge um, wanderte durch die Stadt und machte Fotos. „Eines meiner Lieblingsbilder ist der Wittenberger Bahnhof.“ Dieses Bild habe sie immer beschäftigt. Die verschiedenen Blickachsen, die sie eingefangen hat. Ein Grund zurückzukehren.
Da hakt Sibylle Sperling ein: „Meine Verbindung zu Wittenberge ist, dass mein Opa hier geboren ist.“ Es gäbe sogar ein Bild, wo er vor der Eisenbahnbrücke steht. „Vielleicht ist es kein Zufall, dass ich hier gelandet bin“, sagt die Autorin. Mittlerweile hat sie herausgefunden, dass viele ihrer Vorfahren aus der Altmark kommen und bemerkt ein paar Altmärker Charakterzüge auch bei sich. Sie will hier bleiben. Ihre Familie hat sich eine Datsche bei Wahrenberg gekauft – will diese als Ferienhaus und Kulturort ausbauen. Vielleicht werde sie aber irgendwann wieder in Berlin arbeiten, sagt sie.
Michaela Müller ist sich hingegen sicher: „Ich weiß, ich werde immer wieder hierher kommen, aber ich werde mich hier nicht niederlassen.“ Doch für jetzt plant sie, die Umgebung zu erkunden: beim Joggen und mit dem Rad. Neue Orte suche sie auf Landkarten und fahre dann hin. Ihre Zeit hier möchte sie nutzen, um Wittenberge als Ort bekannter zu machen, etwa in den Sozialen Medien. Auch plant sie, sich in der Stadt einzubringen. Lesungen zu organisieren oder selbst zu lesen.
Auch Sibylle Sperling weiß, dass es schwer ist, als Kulturschaffende auf dem Land zu leben. Deswegen setzt sie viel Hoffnung auf das Coworking Space und den Austausch dort. „Ich wünsche mir, dass sich kreative Projekte entwickeln“, sagt sie. „Es geht darum, dass es weiterlebt.“ Dass das Coworking Space langfristig eine Chance hat, auch ohne „Summer of Pioneers“.